Theoretischer Hintergrund
Bilinguale-Bimodale Bildung:
Der deutsche Gehörlosenbund e.V. beschreibt bimodal-bilingual/ bimodale Zweisprachigkeit wie folgt: „Bimodale Zweisprachigkeit meint die Zweisprachigkeit in einer Gebärdensprache und einer Lautsprache. Es geht dabei neben dem gesprochenen Deutsch (ggf. unterstützend visualisiert durch begleitende Gebärden) um die Deutsche Gebärdensprache. Die beiden Sprachsysteme unterscheiden sich grundlegend in ihrem Aufbau und ihrer Grammatik.“ (Quelle: dgb_brosch_sprachenbilden2016.pdf, S. 13)
Gebärdensprache und Lautsprache werden in allen Bereichen und Fächern parallel und im weitestgehend vollen Umfang angeboten. Lexik und Grammatik sind ein Fundament für den weiteren Wissenserwerb. Ein umfangreicher Wortschatz ist essentiell für das Verständnis von Inhalten. Mit einer Deutlichkeit wird bewusst, wenn der Inhalt eines Textes oder einer Geschichte klar ist, kann die Zweitsprache deutlich besser grammatikalisch und lexikalisch erfasst und verinnerlicht werden. Durch kontrastive Gegenüberstellung bzw. das Aufmerksam machen auf sprachliche Unterschiede und Phänomene, wird der Erwerb einer Zweit- oder Fremdsprache nachdrücklich vereinfacht.
Der soziale Aspekt spielt zudem eine außerordentliche Rolle. Die Annahme, dass Gebärdensprache andere Kinder in der Klasse ablenkt, hat sich nicht bestätigt, im Gegenteil es unterstützt das gegenseitige Verständnis. Freundschaften können nach dem Charakterprinzip geschlossen werden und nicht nach Sprachlerngruppen. Und trotzdem besteht die Möglichkeit des Rückzugs in seine Kultur und Sprachwelt.
Das Zwei-Lehrer und Zwei-Sprachenprinzip:
Person 1 - Lautsprache (ggf. mit Unterstützung von Gebärden)
Person 2 - Deutsche Gebärdensprache (mindestens B2/ C1 – Sprachniveau)
Bilingual aufbereitete Materialien:
- auf Arbeitsblättern/ Merkblättern
- in Videos (Merkvideos, Videos für Bücher, Sachtexte, Definitionen u.a,)
- in Spielen (Memory, Puzzle usw.)
Fach DGS:
- DGS nach Lehrplan, derzeit verankert im Rahmenlehrplan in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt
Im Deutschunterricht ist es nur natürlich, dass der Unterricht von Lehrern unterrichtet wird, die ein abgeschlossenes Germanistikstudium haben oder bei Lehrermangel, Muttersprachler den Unterricht übernehmen. Daher muss es auch im bilingualen Setting eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Gebärdensprachteil von Muttersprachlern in DGS oder Pädagogen mit einem DGS-Sprachniveau B2/ C1 (ggf. Dolmetscher) durchführen.
Ein wenig Kompetenz in DGS oder Alltagsgebrauch reicht hier nicht aus, denn den Kindern wird ein stetiger Aufbau eines Wortschatzes und der Grammatik in der Muttersprache vorenthalten.
Ein Sprachvorbild in DGS mit Sprachniveau B2/ C1 ist Voraussetzung für das Erlernen der DGS für die Kinder, ansonsten werden Sprachfehler nicht ausreichend korrigiert, ein falscher Sprachgebrauch schleicht sich ein.
Anforderungen an die Fachkompetenz in der schulischen Bildung wird durch die Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigtengesellschaft wie folgt erklärt:
- DGS Kompetenz - Niveau mindestens B2 (ca. 400 h in der Praxis)
- Methodische und didaktische Kompetenz für das Fach DGS
- Geschichte und Kultur der Gebärdensprachgemeinschaft
- fachintegrierte bilinguale Sprachbildung
(https://www.deutsche-gesellschaft.de/)
Einen kurzen Einblick in die gesetzliche Lage:
Die Gebärdensprache ist seit 2002 eine anerkannte Sprache und die UN-Behindertenrechtskonvention, von Deutschland 2008 ratifiziert - §24- Bildung, Absatz 3 und Absatz 4 beschreibt klar:
1. Den Menschen mit Behinderung wird das “Erlernen von Gebärdensprache und die
Förderung der sprachlichen Identität der Gehörlosen” ermöglicht.
2. Es wird sichergestellt, dass “.....gehörlosen oder taublinden Menschen, insbesondere
Kindern, Bildung in den Sprachen und Kommunikationsformen (DGS) und mit den
Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, sowie in
einem Umfeld vermittelt wird, dass die bestmögliche schulische und soziale
Entwicklung gestattet.”
3. Es besteht das Recht auf “Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit
Behinderung, die in Gebärdensprache (oder Brailleschrift) ausgebildet wurden.”
4. Es ist Sorge zu tragen, dass es eine “Schulung von Fachkräften, sowie Mitarbeitern
und Mitarbeiterin auf allen Ebenen des Bildungswesens” etabliert wird. “Diese
Schulung schließt die Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen und die
Verwendung geeigneter, ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate
der Kommunikation sowie pädagogische Verfahren und Materialien zu
Unterstützung für Menschen mit Behinderungen ein.
Diese Gesetze machen deutlich, dass Schule seit Jahren ein klarer Bildungs- und Erziehungsauftrag vorliegt. Zudem bekräftigt die UN-BRK, das deutsche Grundgesetz, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf (§3 Absatz 3 im Grundgesetz). Beim 21. Internationalen Kongresses zur Bildung und Erziehung Gehörloser (ICED) im Jahre 2010 werden die Beschlüsse vom Mailänder Kongress von 1880 als Unrecht benannt und erteilen auch hier einen Auftrag an Bildung.